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Allgemein
25.10.2021

Ein Beitrag von Gerd Dahme, CVJM Essen e.V.
Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form im CVJM Terminflyer November/Dezember 2021.

Politik – ein schmutziges Geschäft?

Gustav W. Heinemann, der spätere Bundespräsident, Namensgeber unseres Wohnheimes und von 1934 bis 1948 erster Vorsitzender des CVJM Essen, hielt Anfang der 60er Jahre auf Einladung hin einen Vortrag im CVJM-Haus zum Thema “Christ und Politik”. Für viele von uns damals Jüngeren war Politik ein schmutziges Geschäft. Dürfte oder sollte gar sich ein Christ hierin betätigen? Weil es in unseren Augen alles ziemlich verlogen war – Hände weg davon. Wie einfach! Wir halten uns da raus! Lass das mal andere machen. – Können wir uns als Christen überhaupt heraushalten? Dazu ein Blick auf die beiden Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte, an die wir im November erinnern:

Reichspogromnacht am 9. November 1938

In der Reichspogromnacht, verharmlosend “Reichskristallnacht” genannt, haben Hass und Hetze zu brennenden Synagogen und Verfolgung von Juden geführt. Mit dem Ruf “Kauft nicht bei Juden” zog der SA-Mob laut grölend durch die Straßen und warf bei Geschäften mit jüdischen Inhabern die Schaufenster ein, Synagogen wurden in Brand gesteckt und andere Verbrechen begangen. Obwohl das selbst bei den damaligen Gesetzen strafbar war, wagte es die Polizei nicht, einzugreifen. Und die Feuerwehr wurde daran gehindert, die Brände zu löschen. –
In den Anfängen des totalitären NS-Staates gab es in der Kirche Befürworter der NS-Politik. So wurde 1933 das Amt des Reichs-Bischofs geschaffen. Reichsbischof Müller war der verlängerte Arm Adolf Hitlers in der ev. Kirche. Innerhalb der ev. Kirche wurde die Gliederung der “Deutschen Christen” gegründet und alle ev. Kirchengemeinden wurden dazu aufgerufen, sich diesen anzuschließen. – Als Antwort darauf wurde 1934 – ebenfalls als Teil der ev. Kirche – die Bekennende Kirche gegründet. Sehr bald gehörte Gustav Heinemann zu deren Leitungskreis. Er hat sich offen für diese eingesetzt und seine Tätigkeit als Justitiar bei den Rhein.Stahlwerken davon abhängig gemacht, dass er genügend Zeit bekommt und er nicht behindert wird, um für die Bekennende Kirche tätig zu sein. –
Und seine weiteren Tätigkeitsfelder in der ev. Alstadt-Kirchengemeinde, dem CVJM Essen und dem Weigle-Haus haben diese vor dem NS-Zugriff geschützt. Das Haus des CVJM Essen und das Weigle-Haus sind so der widerrechtlichen Beschlagnahme durch die HJ (Hitler-Jugend) entgangen. Gott sei Dank!

Mauerfall – Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989

Welch ein Jubel! Wir konnten das so schnell gar nicht begreifen: Die Mauer ist offen. Und nicht nur das: Wir können mit der Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands rechnen. Nicht auszumalen! Das war ja unsere wenig begründete Hoffnung, dass das irgendwann einmal geschieht. Aber doch nicht so plötzlich. –
In der DDR gab es immer wieder Jugend-Friedensgruppen, die vom Staat misstrauisch verfolgt wurden.
Kirchliche Jugendgruppen machten sich das Motto “Schwerter zu Pflugscharen” (Bei “Schwerter zu Pflugscharen” handelt es sich um Worte der Bibel, nämlich Micha 4, 1-4.) zu eigen und mit Genehmigung durch den Sekretär des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR, Manfred Stolpe, wurden Aufnäher mit der Aufschrift “Schwerter zu Pflugscharen” hergestellt. Der Maler und Grafiker Herbert Sander hatte dieses Symbol der kirchlichen Friedensbewegung nach einer Plastik, die die Sowjetunion den Vereinten Nationen geschenkt hatte, künstlerisch gestaltet.
Bei vielen Jugendlichen wurde der Worte der Bibel, nämlich Micha 4, 1-4.) zu eigen und mit Genehmigung durch den Sekretär des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR, Manfred Stolpe, wurden Aufnäher mit der Aufschrift “Schwerter zu Pflugscharen” hergestellt. Der Maler und Grafiker Herbert Sander hatte dieses Symbol der kirchlichen Friedensbewegung nach einer Plastik, die die Sowjetunion den Vereinten Nationen geschenkt hatte, künstlerisch gestaltet.
Bei vielen Jugendlichen wurde der Aufnäher immer beliebter. Die staatliche Reaktion war, dass das Tragen des Aufnähers später von dem Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, per Verordnung verboten wurde.
Die Friedensbewegung bekam immer mehr Zulauf und unter dem Dach der Kirche wurden die friedlichen Montagsdemonstrationen zum Grab des totalitären Staates DDR. Die Mächtigen waren auf einmal hilflos. Der ehemalige Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Horst Sindermann, musste bekennen: “Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten. Sie haben uns wehrlos gemacht.”
Der totalitäre Staat DDR hat dann die Demonstrationen nicht mehr lange überlebt. Der Staat hatte keine Opposition zugelassen und nachdem vom großen Bruder in Moskau keine Hilfe zu erwarten war, sich hilflos gegenüber dem Freiheitsbestreben ihrer Bürger gezeigt.

Schlussbemerkung

Dies ist nur ein geringer Beitrag zur Bedeutung dieser beiden Anlässe. Eins sollte deutlich werden: Auch wir sind heute gehalten, auf die Entwicklung unserer Gesellschaft ein Auge zu haben. Das, was früher zu verheerenden Folgen geführt hat, sollte uns wachsam sein lassen, damit wir solchen Entwicklungen schon früh entgegen treten. Politik ist kein schmutziges Geschäft! Unsere Gesellschaft braucht die Menschen, die sich zum Wohle aller mit ihren jeweiligen Gaben in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft einbringen.